Das große Rangeln um Forst Zinna

Wirtschaft Bei Jüterbog könnte auf einem alten Militärgelände eines der größtenGewerbegebiete Brandenburgs für Industrieansiedlungen entstehen – oder eine Übungsflächefür die Polizei.

Jahrelang wurde die Fläche sich selbstüberlassen. Jetzt gibt es große Pläne fürdas ehemalige Militärgelände zwischenJüterbog und Forst Zinna in Teltow-Flä-ming. 350 Hektar gehören nach demAbzug der russischen Truppen Anfangder 1990er-Jahre dem Land – militäri-sches Übungsgelände, alte Kasernenund Wald.Geht es nach dem CDU-Landtagsabge-ordneten Dannny Eichelbaum, dannwird hier künftig für die innere Sicher-heit trainiert. Die Länder Berlin undBrandenburg wollen bei der Terrorbe-kämpfung künftig zusammenarbeitenund ein Trainingszentrum für ihre Spe-zialkräfte aufbauen. Auch die Bundes-polizei könnte eingebunden werden.Eichelbaum hofft außerdem auf die Nut-zung für Personenschützer, Diensthun-deführer, Bombenentschärfer. Schon derBau der Anlagen würde positive Aus-wirkungen für die Region haben, dieNutzung durch Polizeikräfte später erstrecht.Rund 75 Hektar würden für das geplanteAntiterror-Trainingszentrum benötigt.

Das brandenburgische Innenministe-rium bestätigt, dass aktuell eine Mach-barkeitsstudie der Länder Berlin undBrandenburg läuft. Ende des Jahres sol-len die Ergebnisse dazu vorliegen.Wären da nicht handfeste wirtschaftli-che Interessen, die ebenso plötzlich auf-zutauchen scheinen wie die Nutzung fürdie Polizei. WirtschaftsstaatssekretärHendrik Fischer spricht von einer inter-essanten Fläche. Er verweist darauf,dass im Süden von Berlin das Gewerbe-zentrum in Großbeeren an seine Gren-zen stößt, Ludwigsfelde nicht unbe-grenzt erweitert werden kann. Das glei-che gelte für den BiotechnologieparkLuckenwalde.Da kommt automatisch Forst-Zinna insSpiel. Zumal das Land seit zwei Jahrenan einer Art Kataster für potenzielleIndustrieansiedlungsflächen arbeitet undmit dem Zukunftsinvestitionsfonds auchGelder für die Beseitigung eventuellermilitärischer Altlasten bereithält.Erik Stohn, SPD-Fraktionschef imLandtag und selbst in Jüterbog zuHause, ist ein großer Verfechter des Gewerbegebietes in seiner Region.Zumal Jüterbog in seine Infrastrukturinvestieren muss und nur wenig Gewer-besteuereinnahmen hat. Gegenüber die-ser Zeitung verwies er darauf, dass lan-desweit nach großen, zusammenhängen-den Gewerbeflächen für Industriean-siedlungen gesucht wird. 20 bis 30Hektar wären überall zu finden, aber abder Größe von 50 Hektar werde esknapp.In ersten Stellungnahmen sprach Stohnmit Blick auf den Autobauer Tesla von„Grünheide 2“.

Auf diese Wortwahl ver-zichtet er inzwischen. Er möchte auchnicht über mögliche Interessenten spe-kulieren, sieht aber in der Gegend umJüterbog zwischen Berlin und Leipzigmit der nahen Bahnstrecke und der drei-spurig ausgebauten B101 ein enormesEntwicklungspotenzial. Noch ist dieFläche nicht erschlossen, und es gibtkeinen Bebauungsplan. Eine Landesent-wicklungsgesellschaft wäre schön, sin-niert Stohn. Die wurde nach mehrerenSkandalen vor rund 20 Jahren abge-wickelt.Ungeklärte NaturschutzfragenAuch Eichelbaum könnte sich wirt-schaftliche Entwicklung vorstellen.Aber eben nicht auf der ganzen Fläche.Seiner Meinung nach sollte man ersteinmal die Chance ergreifen, die sichjetzt mit dem Antiterro-Traininigszen-trum bietet.Auch Stohn spricht sich nicht gegen diePolizeiausbildungsstätte in Branden-burg aus. Seiner Meinung nach könntesie weiter nördlich auf dem früherenMilitärflughafen Speerenberg unterge-bracht werden, wo es auch einmal eineMilitärversuchsanstalt des Heeres gab.Dort gibt es über das Gelände verstreutHunderte Einzel- und Flächendenkmale,was eine industrielle Nutzung erschwert.Aber auch für Forst Zinna gibt es nocheine Unbekannte. Denn bislang wurdenicht untersucht, welche schützenswer-ten Biotope in den vergangenen 30 Jah-ren auf dem Gelände entstanden sind.Zugunglück im Zinnaer ForstDas Militärgelände Forst Zinnamachte im Januar 1988 weit über dieDDR hinaus Schlagzeilen, als einPanzer der sowjetischen Streitkräfteauf der Bahnstrecke ein Unglück ver-ursachte. Ein Fahrschüler der Armeekam mit seinem T-64A auf den Schie-nen zu stehen, als der SchnellzugLeipzig-Berlin-Stralsund mit 120 km/hdie Stelle passierte.Bei dem Zusammenstoß starben sechsPersonen, darunter die beiden Lokfüh-rer. 33 Fahrgäste wurden verletzt.Dem Panzerfahrer und seinem Fahr-lehrer gelang es, aus dem Panzer zuentkommen.thi

Von Ulrich Thiessen

Quelle: Lausitzer Rundschau, 17.06.2021