INTERVIEW: „Sie verdienen unsere Solidarität“
- 04. Juli 2012
Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen, Christoph Bergner (CDU), berichtet Alexander Engels von seinem Eindruck aus Altes Lager und der Aussiedlerintegration allgemein.
MAZ: Was nehmen Sie für Ihre Arbeit mit aus Altes Lager?
Christoph Bergner: Ich habe Kenntnis über einen weiteren Standort bekommen und habe gelernt, dass dieses Gelände eine besondere Geschichte hat – gerade in der Akzeptanz der Bevölkerung. Hier waren lange Zeit die sowjetischen Truppen und dann kamen plötzlich Russlanddeutsche. Mir ist es deshalb wichtig, dass die einheimische Bevölkerung die Geschichte der Zuwanderer kennt. Die Russlanddeutschen wurden von Stalin für den Überfall von Hitler-Deutschland auf die Sowjetunion verantwortlich gemacht und unterdrückt. Deshalb verdienen sie unsere Solidarität.
Ihr Eindruck: Ist es eine gelungene Rückkehr hier?
Bergner: Die Situation, wie ich sie bei meinem kurzen Besuch erkennen konnte, ist geprägt vom starken Engagement christlicher Gemeinschaften und von einer nicht sehr günstigen Arbeitsmarktlage. Russlanddeutsche identifizieren sich stark über ihre Arbeit. Wahrscheinlich sind deshalb viele auch wieder weggezogen. Umso wichtiger sind die Angebote, die die Diakonie hier macht, zum Beispiel die Werkstatt.
War es ein Fehler, Aussiedler in Altes Lager so zu konzentrieren, auch hinsichtlich der Integrationsfrage?
Bergner: Dazu muss man zwei Dinge wissen. Einmal zogen die Russlanddeutschen zu ihren Verwandten und suchten Gemeinschaften. Das hat nie Probleme gegeben. Wir haben aber auch die andere Situation. Ich rede gar nicht von Altes Lager, aber in Lahr etwa hat das Land Baden-Württemberg die große Zahl der Russlanddeutschen in leer gezogene kanadische Garnisonen gebracht. Solche Standorte sorgten für Probleme, weil manchmal Ghettos entstanden sind. Den Eindruck habe ich von Altes Lager nicht.
Was ist die Herausforderung der Aussiedler-Integration?
Bergner: Insgesamt ist die Integration gelungen. Wir haben immer weniger Probleme. Die Zahl der Einwanderer ist dramatisch gesunken. Eine Zeit lang gab es Probleme mit männlichen Jugendlichen, die in kurzer Zeit beispielsweise vom kasachischen Dorf in die deutsche Großstadt mussten. Das war mit Brüchen verbunden, ist nun aber überwunden. Wir wollen, dass die Russlanddeutschen Stolz auf die eigene Kultur entwickeln, die ein Stück deutsche Kolonistenkultur ist.
Sind Sie also der letzte Beauftragte für Aussiedler?
Bergner: Das weiß ich nicht. Der Schwerpunkt hat sich verlagert: weg von der Aufnahme Tausender hin zu Fragen der Bewahrung russlanddeutscher Kultur und des Aufbaus von Partnerschaften in die Herkunftsregionen. Das ist kulturell und wirtschaftlich interessant.
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 04.07.2012