Protest gegen Ausbaubeiträge nimmt zu

Die Gemeinden bauen Straßen aus, die Anlieger zahlen dafür. In mehreren Gemeinden in Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming machen sich Inititaiven gegen diese Praxis stark – und üben so Druck aufs Land aus. 

Am kommenden Dienstag zu fortgeschrittener Stunde wird es in der Luckenwalder Stadtverordnetenversammlung wohl hoch her gehen: Es geht um Straßenbau, und es wird Grundsätzliches diskutiert. Es geht sozusagen ums große Ganze. 

Auf der Tagesordnung steht ein Antrag der CDU/FDP-Fraktion. Ihr Vorsitzender, Sven Petke (CDU), wird ihn wohl vortragen, und er wird sich vehement für die Abschaffung einer Sache aussprechen, die seit fast 30 Jahren ganz selbstverständlich zum kommunalen Leben in Brandenburg gehört: die Straßenausbaubeiträge. 

Darunter versteht man, vereinfacht gesagt, das Geld, das Hauseigentümer zahlen müssen, wenn die Straße vor ihrem Grundstück komplett erneuert wird. Je nach Ort, je nach Straße und je nach Grundstücksgröße variieren die anfallenden Summen. Manche Gemeinden geben einen größeren Anteil dazu, manche einen kleineren. Aber viel Geld bezahlen die Betroffenen eigentlich immer. Oft stehen fünfstellige Summen im Raum. Entsprechend lang und hitzig sind meistens die Diskussionen um die Straßen.

124 Straßen sind noch zu machen

Die Luckenwalder haben das oft genug durch. 84 Straßen hat die Stadt seit der Wende erneuert, acht Millionen Euro hat sie von den Anliegern dafür eingefordert. 124 weitere Straßen könnten und müssten noch gemacht werden. Laut Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide (SPD) würden sich die Anliegerbeiträge auf 31 Millionen Euro summieren. Stand heute. 

Das ist zu viel, sagt Sven Petke. Die Praxis gehe von überholten Grundsätzen aus der Preußenzeit aus, das ganze System müsse überholt werden. „Natürlich müssen wir sicherstellen, dass die Infrastruktur ausgebaut wird und erhalten bleibt“, sagt Petke. „Aber das an den Grundstückseigentümern festzumachen, ist nicht mehr tragfähig.“ Das Geld müssen von woanders kommen, vom Land. Wie Bayern es seit diesem Jahr handhabt. 

Ähnliche Diskussionen in anderen Gemeinden

Diese Haltung haben Petke und seine Fraktion nicht allein. Ähnliche Diskussionen werden seit Monaten zunehmend in Gemeinden der Region Dahmeland-Fläming geführt. 

In Blankenfelde-Mahlow stellten zwei Fraktionen schon im März den Antrag, dass der Bürgermeister sich beim Land für eine Gesetzesänderung stark machen möge. In Schönefeld scheiterte ein ähnlicher Antrag knapp, weil die örtliche CDU das Ansinnen ablehnte. 

In Zeuthen dagegen haben die Gemeindevertreter Mitte August beschlossen, die Beiträge abzuschaffen und stattdessen ein „steuerfinanziertes Modell“ einzuführen. Heißt: Alle sollen in gleichen Teilen für die Straßen zahlen. Das funktioniert freilich bei der aktuellen Gesetzeslage nicht. Der Bürgermeister wurde deshalb auch aufgefordert, sich beim Land für eine Gesetzesänderung stark zu machen.

Echtes Bürgerthema

Es scheint, als hätten die Politiker vor den anstehenden Wahlen ein echtes Bürgerthema gefunden. Eines, das viele betrifft und ans Geld geht. So war es schon bei den Altanschließern, wo sich der Unmut aus der Mitte der Gesellschaft bis in die Landespolitik gefressen hat. Viele hoffen nun, dass es sich bei dem Straßenbau ähnlich verhält. 

Christian Hentschel etwa tut alles dafür. Hentschel, Mitglied der Schönefelder Bürigerinitiative BiS, hat Erfahrung mit Protest. Vor zehn Jahren strich ihm der Kreis eine Buslinie vor der Nase weg. Er schrieb daraufhin Briefe, dann demonstrierte er vor dem Schönefelder Rathaus. Die Buslinie fährt heute wieder. 

Online-Petition gestartet

Hentschel engagiert sich seither politisch in der Gemeinde und wirbt jetzt für eine Online-Petition zur Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen, die in Schönefeld Anfang des Jahres gestartet wurde. „Ich finde es ungerecht, wenn Anlieger für Straßen zahlen sollen, die von der Allgemeinheit genutzt werden“, erklärt er sein Engagement. Zumal es in mehreren anderen Bundesländern andere Regelungen gebe. 

Rund 5700 Menschen haben die Petition bislang unterschrieben. Hentschel und seine Mitstreiter wollen 8000 Unterschriften zusammenbekommen und diese dem Ministerpräsidenten überreichen. Hentschel: „Dann wird man sich dort ernsthaft mit dem Thema befassen müssen.“ 

Zumindest auf die Unterstützung einiger CDU-Politiker wird er dabei zählen können. Danny Eichelbaum etwa, Landtagsabgeordneter für Teltow-Fläming, spricht sich öffentlich für eine Reform des Kommunalabgabgengesetzes aus. Er halte sie für notwendig, „um die Anwohner von den hohen Strassenausbaubeiträgen zu entlasten.“

Städte- und Gemeindebund gegen Abschaffung

Der Städte- und Gemeindebund allerdings will die Praxis keinesfalls aufgeben. Gemeinden würden eine autonome Einnahmequelle verlieren, warnt Geschäftsführer Jens Graf. „Und keiner sagt bisher, wo das Geld stattdessen herkommen soll.“ Er fürchtet, dass ohne Beiträge der Ausbau der Infrastruktur stagniert. Damit liegt er auf der Linie der Regierungskoalition. 

Die Königs Wusterhausener SPD-Landtagsabgeordnete Tina Fischer jedenfalls spricht sich auch gegen einen Wegfall der Beiträge aus. „Man kann sicher nicht die Augen davor verschließen, dass einige Anlieger ihre Beiträge nicht bezahlen können“, sagt sie. Aber das Land könne nicht ohne weiteres einspringen. 

Bisher sei völlig unklar, wie viel Geld überhaupt in den kommunalen Straßenbau investiert wird. „Und ich möchte auch nicht, dass das ganze Landesgeld in Beton umgewandelt wird und wir dann kein Budget für Kitaerzieher, Lehrer und Polizisten mehr haben“, so Fischer. Von Oliver Fischer

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 05.09.2018