Der lange Schatten der Stasi - Kontroverse Diskussion um Überprüfung der Abgeordneten

Die Mitglieder des Kreistags werden auf eine etwaige Mitarbeit beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) überprüft. Diesen Beschluss fasste der Kreistag während seiner Sitzung am Montagabend im Luckenwalder Kreishaus. Dem war eine kontroverse, teils hitzige Debatte vorausgegangen.

CDU-Fraktionschef Danny Eichelbaum begründete den eigenen Antrag. Er sprach von der 600 000 Mann starken „Schatten-Armee“ des MfS. Sogar Mord sei Alltagsgeschäft der Stasi gewesen. „Das darf nicht vergessen, verschwiegen, vertuscht werden.“ Seine Fraktion akzeptiere keine Mitarbeiter der Stasi im Kreistag. Deshalb solle nach seinem Verständnis auch ein Mandatsverzicht bei Stasi-Tätigkeit erfolgen. Dem folgt der Gegenantrag des Bündnisses von SPD/Grüne, Linke und FDP/Bauernverband nicht. Eichelbaum bedauerte, dass es keinen gemeinsamen Antrag zum Thema gab.

Auch SPD-Fraktionschef Christoph Schulze hätte sich einen gemeinsamen Antrag gewünscht. Da es jedoch kein Gesprächsangebot der CDU gab, hätte die auch keinen Grund zu klagen – „die Gräben haben Sie ausgehoben“. Zudem war er überzeugt, dass die CDU das Thema nur deshalb bringe, weil in Brandenburg Rot-Rot regiert. Zudem warf er dem Volljuristen Eichelbaum vor, rechtswidrige Passagen im Antrag zu haben – indem der Mandatsverzicht gefordert wird.

Dies beklagte auch Linken-Fraktionschefin Kornelia Wehlan. Die entsprechenden Passagen seien nicht verfassungskonform. Sie räumte im Übrigen die „besondere Verantwortung“ der Linken als Nachfolgepartei der SED ein. Sie sagte, dass die DDR an fehlenden demokratischen Strukturen scheiterte. Aber: „Eine selektive Wahrnehmung und Bewertung von Lebensläufen nach heutigen Maßstäben ist nicht gerecht.“ Das Vorgehen der CDU? „Durchsichtig und billig“.

Eichelbaum wies dann darauf hin, dass im CDU-Antrag kein „automatischer“ Mandatsverzicht gefordert wird. Es gehe darum, dass der Kreistag „zur Niederlegung auffordern“ soll. „Wenn man das wortwörtlich nimmt, haben Sie Recht“, stimmte Schulze da zu. Gleichwohl warnte er davor, andere vorzuführen. „Es ist nicht in Ordnung, mit ähnlichen Mitteln den Teufel mit dem Belzebub austreiben zu wollen.“ Was die CDU fordere, sei letztlich herabwürdigend und demütigend.

Das sah Landrat Peer Giesecke (SPD) genauso. Die Stasi-Diskussion bezeichnete er als Welle, auf der man mitsurft oder in der man ersäuft. Und: „Wir werden hier wahrscheinlich keine Mörder enttarnen.“ Er warnte vor Übereifer – es könnten Existenzen und Familien zerstört werden. Ihn erinnere die Debatte an den Mann, der nach Hause kommt und „fassungslos“ ist, als er das „Geständnis“ seiner Frau auf dem Küchentisch findet: „Ich bin im (sprich: IM) Keller.“ Und direkt an Eichelbaum richtete er den Satz: „Wenn Sie nicht mit Stasi-Mitarbeitern im Kreistag sitzen wollen, dann gibt es im Rechtsstaat nur einen Weg: Sie müssen Ihr Mandat niederlegen.“

Der CDU-Antrag wurde dann nicht abgestimmt. Der Gegenantrag erhielt eine klare Mehrheit. (Von Ekkehard Freytag)

Der Kommentar

Rücksichtslos
Ekkehard Freytag wundert sich über das neue Auftreten des Landrats im Kreistag Der Landrat ist angekommen. Peer Giesecke (SPD) wird seinen geliebten Posten bis zum Ende seines Arbeitslebens besetzen können. Zudem weiß er eine loyale Zwei-Drittel-Mehrheit hinter sich. Das bedeutet offenbar, dass er glaubt, keinerlei Rücksicht mehr nehmen zu müssen. Leider glaubt er das wirklich.

Wie sich das auswirken kann, war am Montagabend bei der Kreistagsdebatte zur Stasi-Überprüfung der Abgeordneten zu spüren. Noch drastischer als jüngst im MAZ-Gespräch sagte er nun, dass das Thema Stasi derzeit wie eine Welle sei – man reitet auf ihr oder ersäuft darin. Und, um seine Haltung noch deutlicher zu zeigen, erzählte er noch einen „Witz“; von dem Mann, der „fassungslos“ auf einem Zettel auf dem Küchentisch das „Geständnis“ seiner Frau lesen muss „Ich bin im (sprich: IM) Keller.“ Fassungslos trifft es ganz gut. Dass er später noch dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Eichelbaum nahelegte, sein Mandat zurückzugeben, wenn dieser denn partout nicht mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern im Kreistag sitzen will, war dann konsequent.

Als Beobachter kann man gespannt sein, was der Landrat sich jetzt noch so alles einfallen lässt. Jetzt – da er glaubt, keinerlei Rücksicht mehr nehmen zu müssen.

 

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 17.02.2010