„Verraten und verkauft“ - Bürger bekunden ihren Unmut bei der zweiten CDU-Anhörung zum Flughafen
- 28. März 2012
Weit weniger Gäste als im vergangenen August in Rangsdorf kamen am Montagabend zur zweiten Anhörung der märkischen CDU nach Diedersdorf. Die gut 100 Besucher verloren sich auf den vielen Bierbänken in der Markthalle von Diedersdorf. Langweilig wurde deswegen der Abend trotzdem nicht, auch wenn im Wesentlichen die Argumente gegen den Flughafen wenig Neuigkeitswert hatten. Trotzdem, oder gerade deswegen greifen die je nach Wohnort mehr oder weniger von Fluglärm bedrohten Bürger inzwischen nach jedem Strohhalm, weil sie sich von der Politik verlassen fühlen, und nehmen dankbar das Gesprächsangebot der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Saskia Ludwig an. Geradezu „verraten und verkauft“ fühlt sich beispielsweise der SPD-Kommunalpolitiker Bernd Habermann, Ortsvorsteher von Blankenfelde. Er ist die „laufende“ Chronik all der Ereignisse (mit Datumsangabe) vor und nach der folgenschweren Standortentscheidung. Für ihn „lenkt die unselige Flugrouten diskussion nur vom falschen Standort ab“. Verraten fühle er sich, so bekundete er auf der CDU-Veranstaltung, weil sein Ort einer Lärmbelastung ausgesetzt werde wie keiner sonst in Deutschland. Und verkauft fühlt er sich von seinen SPD-Freunden Matthias Platzeck und Klaus Wowereit, „weil jetzt die Diskussion über einen geeigneteren Standort für tabu erklärt wird“.
Aber auch die brandenburgische Union kann sich nicht zu einem Standortwechsel durchringen. „Das war eine Fehlentscheidung“, so Saskia Ludwig, „aber wir müssen mit dem Fakt Schönefeld umgehen.“ Es wäre falsch, Schönefeld zu schließen und woanders hinzuziehen, betonte die CDU-Chefin, weil dies auch wirtschaftlich nicht zu vertreten sei. Doch stimmte sie mit den Standortkritikern überein, dass für eine Erweiterung des Flughafens andere Standorte gesucht werden müssten. Deshalb dürfte keiner der ursprünglich in Betracht gezogenen Standorte aufgegeben werden, solange kein Konzept vorliege.
Angesichts der zu erwartenden Flugbewegungen, deren Anzahl inzwischen weit höher liegt als ursprünglich geplant, befürchten die Anwohner nicht nur einen Höllenlärm, sondern auch den absehbaren Bau einer dritten und vierten Startbahn in Schönefeld. Alternative Standorte müssten rechtzeitig geplant werden, meinte der aus dem BVBB-Vorstand ausgeschiedene BVBB-Ehrenvorsitzende Ferdi Breidbach. Damit müsste spätestens in drei Jahren begonnen werden, weil spätestens 2025 eine neue Startbahn erforderlich sei. „Warum soll man Tegel nicht weiter nutzen?“, warf Nicole Brandenburger aus Telz ein.
Und Erhard Augustin (BVBB) stellte das Konzept des Single-Airports in Frage, weil man bei einer Havarie nicht auf einen anderen Flughafen ausweichen könne. Außerdem seien die freiwilligen Feuerwehren im Katastrophenfall beim Absturz eines Flugzeugs völlig überfordert.
Der Politikwissenschaftler Otto Keck (BI Kleinmachnow) prophezeite, dass Berlin und Brandenburg ganz bald ganz ohne Flughafen dastehen, weil das Bundesverfassungsgericht den Verstoß gegen das Prinzip von Rechtstaat und Demokratie erkennen werde. Bis dahin müssten eine Verschlechterung des Planfeststellungsbeschlusses und ein Drehkreuz verhindert sowie ein erweitertes Nachtflugverbot durchgesetzt werden. „Da kann die CDU noch etwas drauflegen“, meinte Keck. (Von Hartmut F. Reck)
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 28.03.2012