Der mehrfach abgespeckte Gesetzentwurf zur Schließung von Gerichten hat auch bei SPD und CDU kaum noch Freunde

Bei der geplanten Schließung von Gerichten droht der Landesregierung eine Pleite. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag und CDU-Vizechef, Sven Petke, hat seiner Parteifreundin, Justizministerin Beate Blechinger, empfohlen, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. „Das Papier ist nicht überzeugend“, sagte Petke. Vom Koalitionspartner SPD gebe es ähnliche Signale. Die auf Blechingers Streichliste stehenden Amtsgerichte in Zossen (Teltow-Fläming), Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) und Guben (Spree-Neiße) sowie das Arbeitsgericht in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) seien ausgelastet, so Petke.


Die Sterbeglocke will der Rechtsexperte der SPD-Fraktion, Ralf Holzschuher, noch nicht läuten, obwohl der Widerstand in seiner Partei wächst. „An uns wird das Gesetz aber nicht scheitern.“ Von einer Reform will auch Holzschuher nicht mehr sprechen. Es handele sich allenfalls um ein „Reförmchen“ zu einzelnen Gerichtsstandorten. Dafür fehle allerdings noch immer die „finanzielle Untersetzung“, rügte Holzschuher. Ursprünglich sollte das Kabinett vor Weihnachten über das Blechinger-Papier beraten. Es wurde wieder abgesetzt – auch wegen Forderungen von Finanzminister Rainer Speer (SPD), den Gesetzentwurf zu konkretisieren. Speer vermisse deutliche Personaleinsparungen, verlautet aus Regierungskreisen.

Offiziell will dazu niemand Stellung nehmen. Mit Blick auf die Landtagswahl im September ist es heikel, Gerichte von der Landkarte zu streichen. So erstreckt sich im Fall des Amtsgerichts Zossen die Phalanx der Verteidiger über alle politischen Lager. Ralf von der Bank, CDU-Direktkandidat im Zossener Wahlkreis 25, hat für den Standort demonstrativ Partei ergriffen. Für 95 000 Menschen bedeute das Zossener Gericht Rechtssicherheit.

Nach Auffassung des rechtspolitischen Sprechers der Linken im Landtag, Matthias Loehr, begreift die Koalition offenbar nun, dass eine weitere Schließung von überlasteten Gerichten den Bürgern nicht zuzumuten sei. Die Landesvorsitzende der Deutschen Justiz-Gewerkschaft, Sabine Wenzel, sieht in Potsdam gar „politische Hasardeure am Werk“, denen Bürgerinteressen egal seien. Haupteinwand der Kritiker: Die Wege werden für die Bürger erheblich länger, weil sie künftig auf die Amtsgerichte in Luckenwalde (Teltow-Fläming) oder Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) ausweichen müssen. Zudem sei es wirtschaftlicher Unfug, Zossen dichtzumachen, weil die zehn Richter mit jährlich mehr als 4000 Verfahren ausgelastet seien.

Die Justizministerin verteidigt die Schließungspläne – wie zuletzt im Landtag – als politisch vertretbar und ökonomisch sinnvoll. Jährlich könnten 13 Millionen Euro gespart werden, allein in Zossen gut vier Millionen. Petke und von der Bank bezweifeln das, zumal die Gerichte in Luckenwalde und Königs Wusterhausen erweitert werden sollen. Überdies, so Petke, entstehen Kosten durch die Versetzung von Richtern und Personal.

Blechingers Justizreform stand nie unter einem guten Stern. Hausintern wird noch heute darüber geklagt, dass der in Justizdingen unerfahrenen Ministerin das Thema vor fünf Jahren vom Finanzminister „übergeholfen“ worden sei. Obwohl Blechinger Richter, Bürgermeister und Lobbyverbände gegen sich hatte, präsentierte sie im Spätherbst 2005 einen Entwurf, der die Streichung von sieben der landesweit 25 Amtsgerichte vorsah. Zudem sollte ein zentrales Grundbuchamt in Wünsdorf (Teltow-Fläming) geschaffen werden. Anfang 2007 begutachtete der Rechtsausschuss die Standorte und kassierte die Pläne. Es sieht so aus, als sollte die abgespeckte Variante das gleiche Schicksal ereilen. (Von Volkmar Krause)


Reduzierte Streichliste

Bei seinen Plänen zur Verwaltungsmodernisierung forderte Finanzminister Rainer Speer (SPD) 2003 auch das Justizressort auf, Personal einzusparen.
Justizministerin Beate Blechinger (CDU) lehnte die Pläne zunächst ab und verwies auf die schwierige Lage der überlasteten märkischen Justiz.
2005 legte Blechinger dann doch den Entwurf einer Strukturreform der Amts- und Arbeitsgerichte vor. Danach sollten von 25 Amtsgerichten sieben geschlossen werden: Zossen (Teltow-Fläming), Bad Freienwalde (Märkisch-Oderland), Rathenow (Havelland), Zehdenick (Oberhavel), Schwedt (Uckermark), Guben (Spree-Neiße) und Eisenhüttenstadt (Oder-Spree). Das Arbeitsgericht Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) sollte nach Cottbus umziehen. Zudem war ein zentrales Brandenburger Grundbuchamt am Behördenstandort Wünsdorf (Teltow-Fläming) geplant.
Auf der Streichliste stehen jetzt noch die Amtsgerichte in Zossen und Eisenhüttenstadt sowie das Senftenberger Arbeitsgericht. Guben soll vorerst eine Außenstelle des Amtsgerichts Cottbus behalten.

 

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 02.01.2009