Konflikte in Behörden - Eine Frage der Sicherheit
- 11. März 2016
Behördensicherheit ist im Fokus der Öffentlichkeit, seit ein Mann im Ludwigsfelder Rathaus randalierte und bei den Mitarbeitern Angst und Schrecken verbreitete. Vergleichbare Situationen gibt es in Verwaltungen öfter. Deren Chefs gehen unterschiedlich damit um. Einige setzen auf Deeskalation. Jüterbogs Bürgermeister Arne Raue zeigt lieber harte Kante.
Dahmeland-Fläming. Danny Eichelbaums Position ist eindeutig. Nachdem am Mittwoch ein Mann mit zwei Messern beladen ins Ludwigsfelder Rathaus spazierte, dort Akten durch die Gegend warf und Drohungen gegen den Bürgermeister ausstieß, erklärte der Jüterboger CDU-Landtagsabgeordnete umgehend diesen Zwischenfall für symptomatisch.
Es sei an der Zeit, dass die Sicherheitsmaßnahmen in den kommunalen Verwaltungen überprüft werden, ließ Eichelbaum wissen. Allgemein habe sich die Gewaltbereitschaft in den letzten Jahren erhöht. Man müsse deshalb umsteuern und einen Weg finden, die Häuser zwar offen zu halten, gleichzeitig aber die Mitarbeiter zu schützen.
Jüterbogs Bürgermeister: Reizgas im Außendienst
Ganz neu ist das Problem freilich nicht. In den meisten Kommunen und Behörden beschäftigt man sich schon lange mit dem Thema Sicherheit. Die Mechanismen sind in der Regel eingespielt, wenngleich die Ansätze unterschiedlich sind. Während sich etwa die Kreisverwaltung Dahme-Spreewald bewusst als offenes Haus präsentiert oder man sich in überschaubaren Gemeinden wie Niederer Fläming darauf verlässt, dass sich wütende Besucher wieder abregen – spätestens wenn der Bürgermeister persönlich im Büro steht –, zeigen andere Rathäuser harte Kante. Arne Raue (parteilos), Bürgermeister in Jüterbog, hat für seine Mitarbeiter gerade einen Selbstverteidigungskurs organisiert.
Am liebsten würde er die Außendienstleute für den Notwehrfall auch mit Reizgas und Schlagstock ausstatten, so wie es in Berlin möglich ist. Geboten seien solche Maßnahmen auf jeden Fall. „Die Kollegen werden bespuckt, beschimpft, bedroht, ihre Autos werden zerkratzt. Solche Vorfälle bringe ich alle zur Anzeige, und ich werde es weiter tun. Die Sicherheit meiner Mitarbeiter ist mir eine Herzensangelegenheit – unabhängig von dem Zwischenfall in Ludwigsfelde“, sagt Raue.
Der Ludwigsfelder „Absetz“-Versuch
Ein Mann ist am Mittwochmorgen, kurz nach Öffnung, ins Ludwigsfelder Rathaus gestürmt. Im Vorzimmer des Bürgermeisters kam es zur Eskalation. Der Mann warf mit Akten und beschimpfte den Bürgermeister, der allerdings nicht anwesend war.
Bei dem Täter handelte es sich um den früheren SPD-Politiker und Ersten Beigeordneten der Stadt, René Böttcher. Er wurde vor eineinhalb Jahren von Ärzten für berufsunfähig erklärt und musste die Verwaltung verlassen. Mit seiner Aktion am Mittwoch wollte er nach eigener Aussage den Bürgermeister „absetzen“.
Er ist inzwischen in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.
Anderswo wählt man den Mittelweg. Im Rathaus von Blankenfelde hat man zwar schon öfter über Alarmknöpfe oder Abwehrhilfen diskutiert. „Wir kamen aber immer zu dem Schluss, dass technische Maßnahmen uns nicht helfen, wenn es jemand wirklich darauf anlegt“, sagt Hauptamtsleiterin Katharina Schiller. „Ich glaube deshalb auch nicht, dass man nach den Ereignissen von Ludwigsfelde übereilte Entscheidungen treffen sollte.“
In Blankenfelde setzt man auf große, helle Büros und auf Teamarbeit. Zu konfliktträchtigen Gesprächen gehen Mitarbeiter mindestens zu zweit, außerdem gebe es regelmäßige Deeskalations-Schulungen. Damit sei man bisher gut gefahren. „Körperliche Attacken hatten wir noch nie“, so Katharina Schiller.
Großes Konfliktpotenzial im Jobcenter
Kritische Situationen kann es in allen Verwaltungen geben, schließlich treffen Bescheide die Bürger oft dort, wo sie am empfindlichsten sind: am Gerechtigkeitssinn und am Geldbeutel. Besonders hoch ist das Konfliktpotenzial aber im Jobcenter – das hat die Arbeitsagentur sogar wissenschaftlich ermittelt.
„Reale Gewalt ist bei uns Gott sei Dank selten, aber die Kollegen erleben häufig Situationen, wo sie verbal deeskalieren müssen. Das klappt nicht immer“, sagt Agentur-Sprecherin Doreen Ließ. Im Luckenwalder Jobcenter ist deshalb stets ein Sicherheitsdienst anwesend, der auch reichlich zu tun hat. Selbst die Jugendberufsagentur, die in der kommenden Woche eröffnet wird, soll einen festen Sicherheitsdienst haben. Darüber hinaus sind alle Mitarbeiter noch mit technischen Alarmsystemen ausgestattet, und sie bekommen regelmäßig Seminare zum Umgang mit konfliktträchtigen Kunden.
Justizsprecherin: Gerichte sind keine Hochsicherheitstrakte
Auch in Gerichten ist Sicherheit immer wieder ein Thema. Erst 2011 hat das Landesjustizministerium ein verschärftes Sicherheitskonzept erarbeitet und festgelegt, dass in allen Landgerichten, in allen Gerichten am Sitz eines Landgerichtsbezirks und allen Sozialgerichten Sicherheitsschleusen installiert werden müssen. Die Amtsgerichte in der Dahmeland-Fläming-Region gehören nicht dazu. „Sicherheit muss man immer abwägen gegen Freiheitsrechte. Wir wollen nicht überall Hochsicherheitstrakte aus unseren Gerichten machen“, sagt Ministeriumssprecherin Maria Strauß. Die Amtsgerichte können aber bei Bedarf ein mobiles Sicherheitsteam anfordern, das jeden Besucher kontrolliert.
In dieser Woche hatte das Zossener Amtsgericht ein solches Team im Einsatz, und die Männer wurden laut Ministerium fündig. Aus dem Rucksack eines Besuchers fischten sie zwei Filettiermesser. Sie gaben dem Besucher diese nach der Verhandlung zurück. Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei dem Mann um René Böttcher – der kurz darauf im Ludwigsfelder Rathaus Angst und Schrecken verbreitete.
Von Oliver Fischer
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 11.03.2016