Ein Dorf kämpft um seinen Lebensmittelladen
- 12. Februar 2020
Im Trebbiner Ortsteil Thyrow ist Ende Januar die Tristesse ausgebrochen: Das Vorzeige-Dorf hat keinen Lebensmittelladen mehr. Und mit einer Alternative hat das Dorf seine liebe Mühe.
Thyrow. Abschiede sind immer schwer – aber die Art, wie der Abschied des NP-Ladens in Thyrow gelaufen ist, sei deprimierend gewesen, sagt Ortsvorsteherin Gertrud Klatt. Weil der Umsatz im Laden nicht so groß war, hatten die Verkäufer schon Wochen vor dem absehbaren Ende angefangen, die Regale leer zu räumen. In den letzten Tagen habe es dann kaum noch etwas zu kaufen geben. Die Waren waren 30 Prozent heruntergesetzt, manche 50. Alles musste raus. „Wenn man dazu die traurigen Gesichter der Angestellten gesehen hat, und auch die traurigen Gesichter der Thyrower. Das war beklemmend“, sagt Gertrud Klatt.
Seit Ende Januar ist der Laden nun dicht. Die Werbung ist schon ab, die Tür ist verrammelt – und die Thyrower, immerhin gut 1300 Menschen, stehen ohne Einkaufsmöglichkeit da.
Nach B101-Fertigstellung sind Umsätze zurückgegangen
Das ist in vielen Brandenburger Ortsteilen so. Dass es auch in Thyrow passiert, hätte man allerdings kaum für möglich gehalten. Denn Thyrow ist als Durchgangsort für seine Größe eigentlich bestens ausgestattet. Das Dort hat ein Steakhaus und ein Eiscafé. Es gibt einen Friseur in Thyrow, einen Bahnhof und ein Motorradgeschäft. Im Gewerbegebiet sind mehrere große Firmen angesiedelt, sogar ein Außenlager von Edeka. Aber bis auf einen Hofladen, der Eier und ein paar Fleischwaren verkauft, sind alle Lebensmittelhändler weg. Und für den heimischen Großeinkauf reichen Eier und Fleischwaren eben nicht. „Viele im Ort fragen sich, wie das in einem Ortsteil von unserer Größe passieren konnte“, sagt Gertrud Klatt.
Letztlich lag es wahrscheinlich daran, dass Einzelhändler heute härter denn je kalkulieren müssen. Als die B101 im vorigen Jahr fertig wurde und den starken Durchgangsverkehr aus Thyrow herausgezogen hat, seien die Einnahmen des Ladens noch weiter zurückgegangen, hieß es bei NP. Der Betrieb des Marktes – der mit seiner kleinen Verkaufsfläche ohnehin nicht die besten Voraussetzungen hatte, war schlicht unwirtschaftlich geworden. Und das sehen wohl auch die anderen Einzelhändler so. „Der Eigentümer hat das Gebäude ausgeschrieben, aber es wollte keine der großen Ketten rein“, sagt Gertrud Klatt.
Einkauf nur noch mit Auto oder mit Zug
Thyrower, die kein Auto haben, müssen deshalb fortan für ihren Lebensmitteleinkauf in den Zug steigen. Sie fahren entweder nach Ludwigsfelde oder nach Trebbin. Und dann mit dem nächsten Zug wieder zurück. Theoretisch könnte man auch mit dem Bus nach Zossen, sagt Gertrud Klatt. Der Bus fährt morgens hin, mittags wieder zurück. So viel Zeit braucht kein Mensch zum Einkaufen.
Die Thyrower wollen deshalb am liebsten einen neuen Laden im Ort. Und weil sich wohl kein Einzelhändler mehr finden wird, der in dem schmalen Gewerbebau an der Ahornstraße einen neuen Markt eröffnet, wollen sie es selbst versuchen.
Förderantrag bremst das Dorf derzeit aus
Allein: So schnell, wie man sich das im Dorf wünscht, wird auch das nicht gehen. Zwar war schon ein Berater da, der verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt hat, darunter ein Genossenschaftsmodell etwa, bei dem sich Einwohner finanziell beteiligen können. Er hatte sogar angeboten, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen. Aber die kostet mehr Geld, als die Thyrower selbst aufbringen können.
„Wir haben deshalb einen Förderantrag über die LAG gestellt“, erzählt Gertrud Klatt. Bis der bearbeitet ist, ziehen aber ein paar Monate ins Land. Und falls er bewillig wird, könne man auch nicht einfach den Berater beauftragen. Es müsse eine richtige Ausschreibung geben. Und vorher dürfen auch nicht anderweitig Fakten geschaffen werden. „Das sind alles Dinge, die wir anfangs so nicht eingeplant haben, und die uns jetzt ein bisschen lähmen“, sagt die Ortsvorsteherin.
Ob es am gelingen wird, wieder einen Lebensmittelhandel in Thyrow zu etablieren – wer weiß das schon. „Aber ich bin nach wie vor zuversichtlich, dass wir zumindest alle Möglichkeiten ausschöpfen werden, die es gibt“, sagt Gertrud Klatt. Von Oliver Fischer
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 11.02.2020