"Das bin übrigens ich" - Johanna Wanka zeigt Präsenz auf dem Wochenmarkt und versucht sich als Gemüsefrau
- 26. August 2009
Grün ist die Hoffnung Johanna Wankas. Grün und gehaltvoll. 250 Gramm Sahne und 100 Gramm Butter kommen etwa in ihren Havelzander mit Schafskäse und Schmorgurken, vier Eigelb, ein Päckchen Sahne und ordentlich Eierlikör kommen in ihre Eierlikörcreme mit Beeren. Auf grüne Pappkärtchen hat Johanna Wanka, die Spitzenkandidatin der CDU, ihre Lieblingsrezepte drucken lassen. Und die bringt sie derzeit auf den Wochenmärkten des Landes unters Volk. In der Hoffnung, dass der unverfängliche Plausch übers Kochen und Einkaufen beim Wähler verfängt.
Es ist Dienstagvormittag, die Sonne scheint, der ziegelrote Rathausbau wirft einen langen Schatten auf den Marktplatz von Jüterbog (Teltow-Fläming). Mittendrin steht Johanna Wanka, Kulturministerin und Landesvorsitzende der CDU, und greift immer wieder in ihre graue Handtasche, aus der das grüne Wahlkampfmaterial lugt. „Darf ich ihnen ein paar meiner Rezepte anbieten?“, fragt sie die Besucher des Wochenmarkts. Wenn sie die Kärtchen überreicht, deutet sie meist auf ihr Porträt. „Das bin übrigens ich.“
Die klassische Wahlkampf-Ochsentour mit Infoständen in der Fußgängerzone und Kundgebungen mit Freibier ist Wankas Sache nicht. Man mag die Rezeptoffensive und den Plausch auf den Märkten des Landes für betulich halten, Wanka fühlt sich wohl in der Rolle als nahbare Marktmutter. Während sie sonst auf der politischen Bühne oft zögerlich wirkt, agiert sie auf dem Jüterboger Kopfsteinpflaster zielstrebig und forsch. Ob sie ein wenig mithelfen könne, fragt sie Ingbert Pielicke, und ehe der sich versieht, hat er eine neue Gemüsefrau an seinem Stand, die eifrig Möhren und Gurken abwiegt und in Tüten packt.
Vor dem Marktbesuch hat Wanka bei der IG Metall in Ludwigsfelde Station gemacht. Das Gespräch verlief trotz der schweren Krisenthemen – bei Thyssen-Krupp wird jede vierte Stelle abgebaut – harmonisch. Nur bei der Rente mit 67, die Wanka vehement verteidigte, kamen Gewerkschaft und Partei nicht zueinander.
Beim Gang über den Jüterboger Markt geht es um Politik nur am Rande. Auch Wankas Rezeptkärtchen sind frei davon. Wer wissen will, wofür Wanka steht, muss schon auf www.klarer-kurs.de surfen.
Wanka will Präsenz zeigen. Es gehe ihr um den persönlichen Kontakt, um das Gespräch mit dem Volk, sagt die Spitzenkandidatin. „Hier erreiche ich die Leute, die nicht zu Parteiveranstaltungen kommen.“ Oft entwickle sich aus dem Plausch ein Gespräch über Politik, sagt sie. Und da gehe es auch mal zur Sache.
Wie zu Beginn ihres Besuchs. Da steuert Johanna Wanka zwei ältere Damen an und erkundigt sich nach deren Befinden. „Wir sind nicht zufrieden“, platzt es aus der einen heraus. Das Knie schmerzt, die Bankmanager bekommen teure Boni, und die Rente ist auch nicht mehr das, was sie mal war. „40 Jahre hab ich gearbeitet und drei Kinder großgezogen“, sagt sie. Dafür bekomme sie jetzt 800 Euro Rente. „Wenn ich noch Miete zahlen müsste, könnte ich gleich Hartz IV machen.“ Für Wanka ist das freilich eine Steilvorlage. „Die Kanzlerin hat doch gerade zugesagt, dass keiner weniger Rente kriegt“, entgegnet sie.
Als die Spitzenkandidatin weiter zum Fleischstand zieht, beugen sich die beiden Seniorinnen über Wankas Rezeptkarten. Gemüseauflauf mit Hackfleisch. „Nich so mein Ding“, sagt die mit dem kaputten Knie und schüttelt den Kopf. „Wenn der Käse dann noch so zerläuft.“ Dann doch lieber deutsche Hausmannskost.
Wären sie Wanka gefolgt, wüssten sie, dass auch die Kultur- und Wissenschaftsministerin kein Verächter deftiger Kost ist. Beim Landfleischer ersteht sie Innereien. „Heute gibt’s saure Nierchen“, sagt sie und präsentiert das Tütchen stolz ihren Parteifreunden. Der Landtagskandidat Danny Eichelbaum und CDU-Landesvize Sven Petke begleiten Wanka.
Die Rezepte der Spitzenkandidatin wandern fast ausschließlich in die Taschen und Tüten von Senioren. Aber die Jungen erreiche sie auch, beteuert Wanka. „Da muss man aber andere Wege gehen.“ Gerade habe sie die besten Abiturienten in ihrem Wahlkreis eingeladen, sie mal einen Tag lang zu begleiten. (Von Torsten Gellner)
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 26.08.2009