Eine Rettungswache für Baruth - Kreis reagiert auf seine ungenügende Quote bei den vorgeschriebenen 15 Minuten Hilfsfrist
- 04. August 2010
Notarztnummer wählen – „Sie rufen außerhalb der Sprechzeit an“. Mist. Und nun? Ist die 112 wirklich nötig? Oder wo ist der nächste Arzt, wo jemand mit einem Blutdruckmessgerät? Kippt ein Angehöriger, ein Kollege aus den Latschen, zittert, hat Angst und der medizinische Laie weiß nicht, was da gerade passiert, dann denkt ein Hilfswilliger zwangsläufig an solche Warnungen: „Herzinfarkt – jede Minute zählt“, oder „Schlaganfall – jede Minute Warten erhöht das Risiko bleibender Gehirnschäden“.
Der Kreis Teltow-Fläming liegt bei den sogenannten Rettungsdienst-Hilfsfristen bei 89 Prozent; das brandenburgische Rettungsdienstgesetz dagegen schreibt seit Juli 2008 vor, dass dieser Wert bei 95 Prozent liegen sollte. Auf diese Differenz macht die CDU-Landtagsfraktion aufmerksam und verweist auf wenigstens zwölf Kreise, die dem Gesetz nicht genügen – Oberhavel 88,9 Prozent, Ostprignitz-Ruppin 83,6 Prozent, Märkisch Oderland 80 Prozent . . . Die Fraktion hatte von der Landesregierung Antwort verlangt auf solche Fragen wie „Welche Kenntnis hat die Landesregierung über die Einhaltung der Hilfsfristen?“ oder „Waren Todesfälle aufgrund der Nichteinhaltung der Hilfsfristen zu verzeichnen?“ Die Landtagsabgeordneten wollten Antworten aufgeschlüsselt nach Kreisen. Und Christdemokraten wie der Großbeerener CDU-Vorsitzende Dirk Steinhausen sagen: „Wenn bereits bei Rettungsdiensten solche Unterschiede zwischen Vorgabe und Wirklichkeit vorhanden sind, wie werden sich dann erst die Hilfsfristen bei der Polizei entwickeln, sollte man die Wachen im Norden des Landkreises schließen?“ Steinhausen erklärt: „Man muss kein Hellseher sein, um eine Verschlechterung der Sicherheitssituation vorherzusagen. Sollten Polizeiwachen geschlossen werden, sind vorgegebene Fristen zum Einsatzort nur schwer zu schaffen.“ Es werde Zeit, dass die Landesregierung ihrem Schutzauftrag der Bevölkerung gerecht werde.
Die Landesregierung verweist mit ihren Antworten darauf, dass die 15 Minuten Hilfsfrist vom Anruf bis zum Eintreffen am Notfallort „für den gesamten Rettungsdienstbereich und nicht für jeden einzelnen Einsatz gilt“. Insgesamt soll in 95 Prozent der Einsätze zur Notfallrettung das ersteintreffende Rettungsfahrzeug in 15 Minuten vor Ort sein. Zum Zusammenhang von Hilfsfristen und Todesfällen wird erklärt, es gebe „keine gesicherten Aussagen über die zeitbezogene Wirkung des Rettungsdienstes beziehungsweise zu Einzelereignissen mit Todesfolgen. Eine erhöhte Sterberate für Brandenburg könne nicht festgestellt werden, nach den Sterbeziffern des statistischen Bundesamtes von 2008 liege Brandenburg bei den Flächenländern nach Baden-Württemberg, Bayern, Hessen knapp hinter Nordrhein-Westfalen auf dem fünften Platz. Bei akuten lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Verletzungen mit Todesfolge wie Herzinfarkte, Schlaganfälle oder schwere Unfälle liegt Brandenburg bei der Mortalität teils über, teils unterm Bundesdurchschnitt.
Mit dem Rettungsdienstgesetz hatte das fürs Gesundheitswesen zuständige Ministerium Landräte und Oberbürgermeister auf ihre Pflicht zum Erfüllen der gesetzlichen Hilfsfrist hingewiesen und Empfehlungen zur einheitlichen Erfassung gegeben. Erstmals liegt dem Ministerium nun für 2009 die Auswertung der Hilfsfristen nach neuer Rechtslage vor. Darauf bezog sich die CDU. Außerdem haben die Kreise mit Nachholebedarf eine externe Überprüfung der rettungsdienstlichen Strukturen vornehmen lassen oder bereiten eine vor. Herausgestellt habe sich bei den Analysen, dass das Haupthindernis bei der Erfüllung der Hilfsfrist die vielen „Duplizitätsfälle“ sind – der gleichzeitige Bedarf in einem Bereich mit einfacher rettungsdienstlicher Abdeckung innerhalb der Hilfsfrist. Diese Quote betrifft in einigen Kreisen mehr als zehn Prozent der Einsätze.
In der Kreisverwaltung in Luckenwalde ist das Problem bekannt, Schwerpunkte der Nichterfüllung seien die Stadt Baruth und der Nordbereich zwischen Großbeeren und Rangsdorf, erklärt Holger Lademann, der Beigeordnete des Kreises. Es sei bereits auf die Diskrepanz reagiert worden, für 450 000 Euro plane der Eigenbetrieb Rettungswesen zurzeit den Neubau einer Rettungswache am Rand des Gewerbegebietes Bernhardsmüh. „Gleich, wenn im Frühjahr 2011 der letzte Schnee geschmolzen ist, soll in Baruth gebaut werden, sodass wir im III. Quartal die fehlenden sechs Prozent hoffentlich schon kompensieren können“, erklärt Lademann. Für den zweiten Schwerpunkt sei man derzeit „im Findungsprozess“. Auf alle Fälle soll noch in diesem Jahr die Entscheidung fallen, ob es zwischen Großbeeren und Rangsdorf eine weitere neue Wache gibt oder ob in Ludwigsfelde, Rangsdorf, Mahlow oder Großbeeren etwas Vorhandenes ausgebaut wird. Egal wie – gebaut werden soll 2012, so der Beigeordnete.
Im Kreis gibt es derzeit acht Rettungswachen – in Ludwigsfelde, Mahlow, Zossen, Luckenwalde, Jüterbog, Petkus (alle DRK), in Dahme (ASB) und in Trebbin (Johanniter). (Von Jutta Abromeit)
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 04.08.2010