Zweistündiges Podiumsgespräch in vollbesetzter Bibliothek zum sicheren Lernen in der Schule
- 04. März 2011
Viele Fragen und Antworten, einige Erklärungen, aber am Ende kaum neue Erkenntnisse – so könnte man die Debatte am Mittwochabend in der Luckenwalder Bibliothek zusammenfassen. Unter dem Titel „Wie sicher lernen unsere Kinder?“ hatte der Landtagsabgeordnete Sven Petke (CDU) eine Podiumsdiskussion initiiert. Das Interesse war enorm. Mehr als 100 Gäste kamen, unter ihnen zahlreiche Lehrer, Erzieher und Kommunalpolitiker.
Anlass für die öffentliche Debatte war der Übergriff auf den zwölfjährigen Florian, der auf dem Pausenhof der Ebert-Grundschule schwer verletzt worden war (die MAZ berichtete). Doch Petke ging es nicht nur um den aktuellen Fall, sondern um die Generalfrage, wie der „Schutzraum Schule“ künftig gewährleistet werden kann.
Ingo Müller, Abteilungsleiter im Potsdamer Bildungsministerium, war zunächst um Schadensbegrenzung bemüht. Der Ebert-Schule bescheinigte er „eine hohe Akzeptanz bei den Eltern“ und großes Engagement in der Prävention. „Diese Schule ist kein Hort der Gewalt“, sagte er. In der öffentlichen Diskussion sei die Einrichtung „innerhalb einer Woche zerlegt worden“. Lehrer würden bedroht und verbal attackiert.
Jeder fünfte Schüler in Brandenburg hat laut Müller schon einmal Erfahrung mit Gewalt gemacht, davon 85 Prozent außerhalb der Schule. Kleinere Klassen, wie von Elternsprecherin Nadine Walbrach vorgeschlagen, oder mehr Schulpsychologen, wie von Thoralf Götze, Lehrer am Friedrich-Gymnasium, gefordert, stellte Müller nicht in Aussicht. Man werde den Fall Florian aufarbeiten und versuchen, Lehrer auf kritische Situationen besser vorzubereiten, „aber solche Übergriffe wird man nicht grundsätzlich verhindern können“. Den einzigen Fehler, den er seitens des Ministeriums einräumte: „Im Umgang mit den vier Tatverdächtigen haben wir uns möglicherweise zu schnell dem öffentlichen Druck gebeugt und sie von der Schule verwiesen. Das war vielleicht pädagogisch falsch.“
Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide (SPD) erneuerte ihr Angebot, eine Sozialpädagogen-Stelle für die Grundschulen zu finanzieren. „Und wir müssen die Eltern stärken, damit sie ihren Erziehungsauftrag besser wahrnehmen.“
Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung habe die Gewalt unter Jugendlichen statistisch nicht zugenommen, erklärte Jürgen Huber, Leiter des Polizeischutzbereiches Teltow-Fläming. „Es ist die Krux, dass gerade die Ebert-Schule ein klassisches Beispiel für gute Zusammenarbeit zwischen Schule und Polizei ist“, sagte er. Huber nahm vor allem Eltern in die Pflicht. „Straftaten gegen Ihre Kinder sollten Sie anzeigen, auch wenn die Täter nicht strafmündig sind.“
Heidemarie Migulla, ehemalige Lehrerin, forderte für die Schulen ein festes Regelsystem. „Wenn diese Regeln verletzt werden, muss es Sanktionen geben.“ Außerdem hätten Pädagogen neben dem Bildungs- auch einen Erziehungsauftrag.
Inis Mai, Elternsprecherin der Jahn-Grundschule, warb für ein Projekt, das kein Geld kostet. Seit einem halben Jahr gibt es dort die Schüleraufsicht. Fünft- und Sechstklässler beaufsichtigen ihre Mitschüler. „Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht“, sagte sie. Als „gesamtgesellschaftliches Problem“ bezeichnete Sozialarbeiter Manfred Thier den Vorfall. „Wer kümmert sich um die Eltern, die mit ihren Sorgen in dieser Gesellschaft allein gelassen werden, wer um die überforderten Lehrer?“, wollte er wissen. Außerdem vermisst Thier Erkenntnisse, wie die Tat in der Ebert-Schule bisher aufgearbeitet ist.
Auf Ingo Müllers Anregung, man möge Probleme in der Schule auf internem Wege klären und nicht sofort die Medien bemühen, reagierte Andreas Lehmann, Lebensgefährte von Florians Mutter, lautstark und emotional: „Diese ganze Diskussion wäre unnötig, wenn die Schule viel früher reagiert hätte.“ Erst durch die Medien sei eine Debatte in Gang gekommen. „Wir klagen nicht die Schule an, unsere Vorwürfe gehen an einige Lehrer und die Direktorin“, sagte er.
Sven Petke war am Ende der zweistündigen Veranstaltung nicht ganz zufrieden. „Die Diskussion hat gezeigt, dass wir uns dem Thema noch annähern“, zog er ein Fazit. „Ich wünsche uns, dass wir aufeinander achten, hinschauen, uns einmischen und dass wir über den Vorfall ein Ergebnis der Untersuchungen erfahren.“ (Von Elinor Wenke)
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 04.03.2011