In der Reform-Debatte - Bürger fragen: Wie bewahrt man in Großkreisen die Nähe zwischen Verwaltung und Volk?

Luckenwalde. Auf seinem vierten Bürgerdialog, bei dem Innenminister Karl-Heinz Schröter mit Brandenburgern den Leitbildentwurf der geplanten Verwaltungsstrukturreform diskutiert, traf er kürzlich auf das, wie er sagte „bislang am besten vorbereitete Publikum“. Kein Wunder, denn Gebietsreformen, wie auch Großkreise stoßen im Landkreis Teltow-Fläming nicht zwangsläufig auf Gegenliebe.

Und dennoch, Unsachlichkeit oder gar Pfiffe gab es nicht. Dafür viele Fragen und sachlich formulierte Bedenken aus den Reihen der über hundert Diskussionsteilnehmer, die eines verband - sie alle leben oder arbeiten vor Ort, und wollen, wenn es um die Zukunft einer sich verändernden Verwaltungslandschaft geht, gehört und verstanden werden. Und auch dies verband viele: Der Wunsch nach kreislicher oder kommunaler Eigenständigkeit.

Die Erreichbarkeit der Verwaltungen für die Bürger und nicht zuletzt die Forderung nach konkreten Zahlen demografischer Veränderungen, aufgrund derer über Größe, Struktur und Leistungspaket der kommenden Verwaltungen überhaupt erst entschieden werden soll. Nachdem Landrätin Kornelia Wehlan angesichts der aktuellen Flüchtlingsproblematik, das Thema Großkreisbildung auf später verschieben würde, sie zwar für eine Reform aber gegen das Zerschlagen des Landkreises ist, formulierte Trebbins Bürgermeister Thomas Berger, seine Bedenken so: „Ihre heutige Vorstellung von Leitbild und Reform klingt bürokratisch und technokratisch. Ist dass Reformpaket vielleicht der Versuch, das Land zentralistisch zu gestalten, um es so leichter regieren zu können? Auch ist der Kolateralschaden der letzten Reform heute noch zu spüren“, so Berger, der Verwaltungsarbeit- und Service als engen und persönlichen Kontakt zu seinen Bürgern versteht. Und dies, wie er sagt, nicht nur zu Zeiten von Asyldebatten und dem Spagat zwischen Unterbringung und Integration der vielen Flüchtlinge.

„Wenn wird die Menschen nicht mehr erreichen, sondern nur noch verwalten, dann werden uns die Menschen, um die es uns geht, immer ferner!“
Diesen Satz von Trebbins Bürgernmeister aufgreifend, plädierte Michaela Schubert leidenschaftlich für den Erhalt der Eigenständigkeit im Landkreis und regte an, vor der Verabschiedung des Reformpaketes doch von Bürgerbefragungen oder Bürgerentscheidungen Gebrauch zu machen. Schubert, die im Landkreis das Sachgebiet Ordnungswidrigkeit leitet meint: „Allein die Bearbeitung von Geschwindigkeitsüberschreitungen wäre in einer Kommune mit 10.000 Einwohnern überhaupt nicht mehr zu schaffen.“ Mag dies so manchen Schnellfahrer auch in freudige Erwartungstimmung bringen, die Vorstellung von mangelnder Bürgernähe tut es nicht. So sieht Jörg Stubbe, Steuerberater und Stadtverordneter aus Baruth, künftige Online-Kontakte zwischen Bürger und Verwaltung eher skeptisch. „Dinge wie Frontoffice und Bagoffice führen doch nur all zu schnell dazu, dass die Bürger vorne einen Zettel abgeben, der hinten schnell wieder vergessen wird“, meinte er und beruft sich dabei auf seine Erfahrungen als Steuerberater, dessen Kunden erst ganze Bücher lesen müssten, ehe sie das Prozedere elektronischer Steuererklärung durchschaut hätten.

Offene Worte aus den Reihen der Jugend

„Warum hört man eigentlich in Brandenburg und auch in unserer heutigen Leitbild- und Reformdebatte immer nur davon, dass sich das Land der Demografie anpassen muss, statt etwas dagegen zu unternehmen“, fragt Lee-Ann Beeck. Die mit 18 Jahren wohl jüngste Teilnehmerin der Diskussionsrunde kommt aus Ludwigsfelde und will demnächst ein Studium in Cottbus beginnen. Sie glaubt, dass auch ländliche Regionen sehr wohl Chancen auf Zukunft haben und man mit einer immerwährenden Debatte von Wegzug der Jugend, Verlust von Arbeitsplätzen, schlechterem Lebensstandard und Verdienstmöglichkeiten ein schlechtes Signal sendet. „Mit dieser Message ist es doch klar, dass die Jugend weggeht!“

Doch sie selbst tut es nicht. Sie hat sich ganz bewusst dafür entschieden, nach ihrem Studium zum Wirtschaftsingenieur im Land zu bleiben. „Brandenburg ist nicht nur größer als Berlin, es ist auch interessanter“, gesteht sie lächelnd einen der Gründe ihrer Entscheidung.

In der dreistündigen Diskussion kamen viele Fragen auf den Tisch. Einige wurden beantwortet, andere eben nicht. Wie auch die Frage nach den Kosten der letzten Reform vor 20 Jahren und den finanziellen Nutzen, oder gar Einsparungen, die sie gebracht hat. „Diese Zahlen liegen uns nicht vor. Entscheidender für uns ist jedoch der Vergleich zu anderen Bundesländern, die eine solche Reform bereits durchgeführt haben“, meint Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski auf Bürgeranfrage. Franz: „Keine eierlegende Wollmilchsau!“

Und auch Prof. Dr. Jochen Franz, Verwaltungswissenschaftler und ausgewiesener Kenner vergleichbarer Reformen meinte: „Eine Verwaltungsreform, wie diese, ist keine eierlegende Wollmilchsau die alle Probleme des Landes Brandenburg löst.“

Abschließend schlug der Minister noch einmal einen Bogen zur wohl heiß diskutiertesten Debatte: „Sicher, das Flüchtlingsproblem in Brandenburg ist groß, aber deswegen darf das Land nicht stehen bleiben. Lassen Sie uns die Ärmel hochkrempeln, denn dann kann das Land auch zwei oder gar drei Großaufgaben verkraften“, sagte er und verwies darauf, alle Anregungen aus dem Luckenwalder Bürgerdialog mit nach Potsdam zu nehmen.
Mehr Informationen zur Verwaltungsreform und Leitbild finden Sie im Internet unter www.verwaltungsreform.brandenburg.de. fdk

Quelle: Blickpunkt, 24.09.2015

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